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Kontraste in Phnom Penh

36 h Geschichte in Phnom Penh

Nirgends findet man einen stärkeren Kontrast zwischen Schrecken und Schönheit der Khmer Geschichte, wie in Phnom Penh: im Palast zeigt sich einem die atemberaubende Schönheit der Khmer Kultur und im Genozid Museum wird man mit den schrecklichen Verbrechen des Pol Pot Regimes konfrontiert.

Anreise

Wieder bietet die kambodschanische Infrastruktur viele Optionen uns von Battambang nach Phnom Penh zu bringen. Olha (Tuk Tuk Fahrer unserer gestrigen Tagestour in Battambang) hat uns gestern noch beim Busunternehmen THERO EXPRESS Fahrkarten vermittelt: VIP Bus, d. h. ein kleiner Van mit Wasser an Board, WiFi und so. Es klang viel zu gut um wahr zu sein; vor allem, da er bei ebenfalls vier Stunden Fahrzeit auch nur USD 10 kosten soll.

Wie vereinbart holt uns ein kleiner Van pünktlich 7.45 Uhr am 29. Feb. 2016 ab. Nach einigen weiteren Pick Ups starten wir fast pünktlich um 8.00 vom Busunternehmen aus, wo jeder Wasser bekommt, gen Phnom Pehn. Mir ist noch unklar, ob es mit den halsbrecherischen Überholmanövern, der doch klar überhöhten Durchschnittsgeschwindigkeit in Kombination mit den Straßenverhältnissen (so stellt man sich wohl die Autobahn in MeckPom vor: Streckenweise OK) zusammenhängt oder ob der Bus doch einen Federungsdefekt hatte… Zumindest kamen Julia und ich beide mit Kopf- und leichten Nackenschmerzen (aber pünktlich!!) in Phnom Penh an. Das alte Spiel: Tuk Tuk zum Hotel, Check In, Pool. 

Die Unterkunft

Wir haben wieder im Voraus über bookings.com gebucht: Secret Villa. Das kleine Hotel ist wirklich eine Oase: der grün umwachse Pool ist keine drei Schritte von der lauten Straße entfernt. Man entflieht der Stadt, die doch so nah ist. Für unseren Städtetrip wirklich perfekt. Dazu ein wirklich schönes Zimmer und sehr nettes Personal. Hier ruhen wir heute etwas länger. Die Buswipperei hängt noch in den Knochen. Woran erkennt man eigentlich ein Schleudertrauma?

Abend in der Hauptstadt

Nach Pool und Nickerchen zieht es uns doch in die Stadt. Wir Laufen. Vom Hotel sind es gute zehn Minuten bis zur Hauptstraße am Fluss. Es ist kurz nach 18.00 Uhr und wir sehen hier, was uns die Schweizer beim Essen angekündigt haben: in Phnom Penh ist öffentliches Aerobic ganz groß. Bestimmt 50 Leute tanzen hier zu 80er-anmutenden Musik einem Instructor hinterher. Die Tänzer sind jung und alt, Touristen und - vor allem - Khmer Frauen mittleren Alters.

Beim Abendessen schmieden wir unseren Plan für morgen und genießen den Ausblick über die Stadt und leckeres Khmer Red Curry.

Traurige Vergangenheit

Wir beginnen unseren Tag mit dem potenziell deprimierendsten Ort unserer Reise, dem Tuol Sleng oder auch Genozid Museum. Hier haben die Khmer Rouge eine Schule zum Gefängnis umfunktioniert. Trotz vorhandenen Audioguide entscheiden wir uns für einen Guide.

Die Mid-Zwanzigerin wird uns später erzählen, dass ihre Mutter ursprünglich aus guten Verhältnissen kam. Mit der Räumung Phnom Penhs hat sie alles materielle und einige Familienmitglieder verloren. Nach dem Sturz des Pol Pot Regimes war das Elternhaus der Mutter bereits durch andere bewohnt, die vor ihr in die Hauptstadt zurück kamen und nicht auszogen, da wiederum ihr Haus inzwischen bewohnt war usw. Ihre Mutter fängt als Reinigungskraft in diesem Gefängnis an: hier will zu dieser Zeit keiner arbeiten, dafür bekommt man aber eine Wohnung gestellt.

Die Tour beginnt am Gebäude A: hier fand man die letzten 14 Insassen des Gefängnisses tot auf. Fotos an den Wänden der jeweiligen Zellen zeigen, wie sie aufgefunden wurden. Sie sind im ehemaligen Schulhof begraben. Diese Zellen waren für “befragungsintensive” Insassen vorgesehen. Die Zellen sind halbierte Klassenräume, die für Folter groß genug waren. Später sehen wir noch andere Einzelzellen. Hier wurden aus jedem Klassenzimmer elf Einzelzellen.

In den Gemeinschaftszellen werden um die 20 Personen gefangen gehalten. Alle Zellen haben eins gemein: die Inhaftierten werden am Knöchel festgebunden. In den großen Zellen am Bett, in den Einzelzellen am Boden und in den Gruppenzellen sind bis zu neun inhaftierte an die gleiche Eisenstange gekettet. Hier liegt man flach auf dem Boden. Schläge drohen dem der spricht oder sich aufrichtet - die Regeln stehen auch auf der Tafel in jeder Gemeinschaftszelle.

In dem Gefängnis wurde es aber noch barbarischer: die gezeigten Folterinstrumente gehen von Bambusstock, Elektrokabeln über Waterboardingvorrichtungen bis hin zu Apparaturen, deren Zweck sich mir nicht gänzlich erschlossen hat.

Das Museum zeigt heute außerdem viele Portraits von Insassen. Unzählige Portraits. Viel zu viele portraitierte Menschen, die alle ihr Leben ließen, entweder hier oder vor Phnom Penh auf den Killing Fields. 17.000 Gebeine wurden hier in Massengräbern gefunden. Die meisten waren zuerst hier: in dem alten Schulgebäude mitten in der sonst menschenleeren Hauptstadt.

Nach dem Ende unserer Tour mit dem Guide durchlaufen wir die Stationen ein zweites Mal. Leider gibt es wenig Erklärungen und Beschriftungen. Am Ende finde ich noch eine Ausstellung über die Prozesse gegen hochrangige Pol Pot Komplizen. Leider sind auch hier die Anklagepunkte dünn beschrieben und die Biografien im besten Fall hastig recherchiert. Spannend ist aber: alle samt haben sie studiert, zum Teil im Ausland. Gebildete, Gelehrte, gelernte Handwerker, alle wurden sie unter Pol Pot gejagt. Dabei bestand offenbar die Führungsriege genau aus solchen Menschen. Über Sinn und Unsinn braucht man hier ohnehin nicht zu debattieren. Übrigens, gemessen an den Morden pro Tag war Pol Pot schlimmer als sowohl Stalin und Hitler.

Nach unserem Besuch, holen wir uns etwas Abkühlung bei einem Wassermelonen- (für Julia, klar) bzw. Mangosaft, bevor wir uns von einem Tuk Tuk zum Unabhängigkeitsmonument fahren lassen.

Zeit der Heilung

Vom Unabhängigkeitsmonument (Zeichen der Unabhängigkeit von Frankreich) laufen wir den Suramarit Blvd hoch. Auf dem Stadtplan ist hier eine grüne Fläche, weshalb wir Park/Schatten assoziiert haben. Den Park mit viel Steinplatten gibt es, den Schatten leider nicht; ein Iced Coffee soll Abhilfe schaffen. Dieses Getränk gibt es vielerorts: kalter Kaffee, Eiswürfel und gesüßte Kondensmilch - ziemlich lecker. Auf dem Boulevard passieren wir die Statue des ehemaligen Königs Norodom Sihanouk. Er hat vor und nach den Khmer Rouge regiert, war zeitweilens im Exil und hat die Nation wieder geeint. Er starb 2012 als Nationalheld.

Wir biegen gen Norden auf den Samdech Sothearos Blvd, wo wir das kommunistisch anmutende Denkmal der Kambotschanisch-Vietnamesischen Freundschaft passieren. Am Ende des Spaziergangs steht der Königliche Palast.

Schöne Gegenwart

Für den Palast muss man wieder angemessen gekleidet sein. Also als Frau natürlich. Wenn man das nicht ist, gibt es extrem modische T-Shirts und Hosen für je USD 3 zu kaufen. Zweifelsohne ist das Zeug als Strafe zu verstehen. Für USD 6,5 kann man dann in den Palast. Große Teile des eigentliches Palasts sind gesperrt. In den Thronsaal kann man von außen schauen, aber nicht fotografieren. Von außen ist das Gebäude bereits wirklich schön (siehe ganz oben). Es gibt einige kleine, Gärten-umgebene, Gebäude, wo z. T. Ausstellungen gezeigt sind. Leider sind auch hier nur sehr wenige Schilder, mit Erklärungen zu den Exponaten.

Der wohl schönste Besucher-zugängliche Bereich ist die Silver Pagoda, ehemals ein Tempel, ist das Gebäude wohl heute eher als Schatzkammer des Landes zu verstehen. Die Khmer Kunstschätze, die nicht von Franzosen außer Landes gebracht, durch die Khmer Rouge zerstört wurden oder bei der vietnamesischen Befreiung abhanden gekommen sind, befinden sich zum größten Teil hier: viele kunstvoll gefertigte Buddhas und andere Figuren sowie Schmuck - wie üblich mit kargen Erklärungen oder oft ohne Datierungen. Das Zentrum der Ausstellung ist ein riesiger, goldener, Diamanten besetzter Buddah. Der Fußboden der Halle ist übrigens mit Fliesen aus purem Silber bedeckt. Jede Fliese soll 1 kg wiegen. Fotografieren darf man innen nicht und er ist größten teils durch Teppiche geschützt.

Der Außenbereich ist auch extrem schön: die Silver Pagoda ist im Zentrum eines Hofes, dessen Wände mit Malereien verziert sind. Es gibt eine alte Bibliothek, wo sich heute ein riesiger Buddahfußabdruck befindet.

Es gibt einen kleinen Tempel in mitten eines kleinen Gartens, wo spirituelle Musik ruhig spielt.

Zu guter Letzt finde ich ein ziemlich großes Angkor Wat Modell im Hof. Danach verlasse ich den Palast und laufe zum Hotel. Mein Weg führt mich an Schulen vorbei, in denen gerade die Schlussglocke läutete und komme so in den Feierabendverkehr: ich versuche unzählige Mofas zu zählen, hüpfe um schnelle Mopeds und bewundere die Fahrradfahrer im Getümmel. Aber ein bisschen waghalsig ist wohl jeder Spaziergang in der Hauptstadt.

Essen

Mittags waren wir in einem vom Lonley Planet empfohlenen Restaurant (“Dining with Cause”), was wir jedoch recht unhöflich und dafür auch überteuert fanden: Friends. Abends waren wir schräg gegenüber in einem kleinen Restaurant (Namen leider vergessen). Der Service hier war top (schnell und höflich) außerdem sind die Preise hier moderat. Einzig: in Julias vegetarischem Amok war ein Stück Rind. Mein Curry war lecker und fleischfrei. Am kommenden Tag werden wir nach Koh Rong Samloem aufbrechen.


Martin 06.03.2016 08.07.2019 reise sudostasien2016

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